20.09.2022
27. Ordentlicher Bundeskongress der Gewerkschaft der Polizei (GdP)
Kopelke: Ich gebe euch Rückenwind
Bundeskongress 2022
In seiner Grundsatzrede auf dem 27. Ordentlichen Bundeskongress der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Mitte September in Berlin, schwor der neue Bundesvorsitzende Jochen Kopelke die 254 Delegierten auf die kommenden vier Jahre ein. Auf ihre GdP-Mitgliedschaft können die 200.000 Mitglieder aus Vollzug, Tarif und Verwaltung stolz sein. Die GdP ziehe dafür gemeinsam an einem Strang, für „eine GdP an allen Dienststellen“.
Die Rede des Bundesvorsitzenden der GdP im Wortlaut
Guten Morgen! Das darf man noch sagen: Ich blicke ja in sehr frische Gesichter. Insofern gehe ich fest davon aus, dass ihr gestern einen unglaublich tollen Abend verlebt hat. An mich ist nichts Negatives herangetragen worden, was euer Verhalten angeht. Das ist also steigerungsbedürftig, würde ich mal sagen. (Beifall) Ich würde einen ganz kurzen Rückblick zu gestern wagen, weil es richtig ist, das zu tun, und ich möchte einen Ausblick auf das wagen, was uns mit Blick auf die Antragsberatung bevorsteht, aber auch den Blick darauf werfen, was passiert, wenn wir am Donnerstag auseinandergehen und uns auf andere Art und Weise in den nächsten vier Jahren begegnen. Der gestrige Tag war von ehrlichen Wahlen geprägt. Ich bedanke mich an dieser Stelle persönlich für das ehrliche Ergebnis, für die ehrliche Wahl. Ich kann immer noch nicht begreifen, dass ich jetzt Bundesvorsitzender dieser großen Organisation bin. Das wird noch ein bisschen dauern. Das ist normal. Aber mein Sohn hat mir gestern am Telefon gesagt: Das stimmt. Du bist gewählt worden, Papa. Toll gemacht. (Beifall) Ich möchte den ausgeschiedenen GBV-Mitgliedern noch mal einen recht herzlichen Dank für das aussprechen, was ihr getan habt. Ihr habt die Bühne für das bereitet, was wir gestern erlebt haben. Der Tätigkeits- und Rechenschaftsbericht hat ja dargelegt, was es inhaltlich war. Aber menschlich ist es gestern ausgesprochen worden. Vielen Dank noch mal an euch vier. Ich hoffe, dass ihr noch schöne Stunden hier erlebt und euch auch willkommen fühlt in dieser Runde. Danke schön noch mal. (Beifall) Allen Antrittsreden konntet ihr eigentlich viele gleiche Aspekte entnehmen, sodass ich mich freue, dass der neue Geschäftsführende Bundesvorstand, der natürlich vollzählig hier oben sitzt und gestern schon in einer ersten Anpackerrunde zusammengekommen ist, die Aspekte angesprochen hat, die auch meine sind und unsere werden müssen. Insofern freue ich mich, dass wir viele gleiche Ideen und gleiches Engagement hier oben in die Vorstandsarbeit gebracht haben. Ich möchte euch ein paar ausgewählte Anpackerthemen und Ideale mit auf den Weg geben, die wir mit der heutigen Antragsberatung, aber auch in Zukunft im Umgang miteinander und mit unseren Kolleginnen und Kollegen leben. Die Antragsberatung rufe ich zum Schluss auf. Ich habe gestern dargestellt, dass ich persönlich vom ersten Tag an in der Gewerkschaft der Polizei war. Als mir viele gratuliert haben, haben sie ähnliches gesagt. Ich habe in meinen fast 20 Dienstjahren aber auch verschiedene Lebensabschnitte durchlaufen – genau, wie ihr auch. Die GdP war immer an meiner Seite, egal, wie der Lebensabschnitt war. Mal habe ich viel zu viel gearbeitet und hatte über 500 Überstunden und 62 Urlaubstage über, als ich meine Dienststelle wechselte und meine Chefin mich fragte: Was ist mit dir denn nicht in Ordnung? Da stand die GdP an meiner Seite und hat mit mir erst mal den richtigen Umgang mit Arbeit, Beruf und Freizeit geordnet, aber auch Wege aufgezeigt, wie man mit einer Dauerbelastung umgeht. Es gibt weitere Lebensabschnitte, die ihr für euch selbst auch alle erkennt, und immer ist die GdP Teil dessen. Wenn wir das wissen, dann muss die Mitgliedschaft in der GdP folgende Maxime haben: Vom ersten Tag, egal, in welchem Sicherheitsbereich, egal, mit welcher Fähigkeit, egal, welches Geschlecht, ist man GdP-Mitglied. Man wird herzlich willkommen geheißen, man wird professionell in Empfang genommen, und man wird mit einem Angebot begrüßt, was diese GdP attraktiv macht, nicht nur menschlich, sondern auch in Fragen der Absicherung und der Berufsvertretungsqualität. Was ich damit meine, ist, der Beginn muss sehr gut sein, aber dann kommt die Arbeit, die wir stärker in den Blick nehmen müssen, nämlich: Wie halte ich die Menschen in der GdP? Ich sehe euch an, wie bemüht ihr seid, Neueinstellungen zu begleiten, und ich sehe, wie gut es funktioniert, wie gut ihr seid. Aber wir müssen auch einen Blick werfen, um folgende Maxime zu schaffen: Ich bleibe mein ganzes Leben in der GdP, ich bleibe über meine aktive Dienstzeit hinaus in der GdP, durch die GdP bleibe ich weiterhin in sehr guter Gesellschaft und weiterhin über eine Gewerkschaft vertreten. Das muss die Maxime der nächsten vier Jahre sein. (Beifall) Ich habe gestern angesprochen, dass wir in der Frage der Zusammenarbeit von Bund und Land – das klingt immer abstrakt, aber es ist richtig, dass so auszusprechen – besser werden müssen, und zwar nicht, weil wir schlecht sind, sondern weil ich glaube, es gehört ausgesprochen, dass gewerkschaftliche Basisarbeit das Fundament dieser GdP ist. In den Landesbezirken, in den Bezirksgruppen und Kreisgruppen machen Vertrauensleute die wirklich wichtige Arbeit. Ihr transportiert Botschaften, kommuniziert Erfolge, nehmt die Stimmung als Seismograf auf, sodass wir einen Blick in den Bereich der Vertrauensleute richten und noch mal neue Ideen entwickeln müssen, wie wir Menschen dazu motivieren, mit wenig Arbeit viel für die GdP zu tun. Ich wünsche mir, dass wir den Blick auf die Basisarbeit der gewerkschaftlichen Grundhaltung richten und sagen: Packt mit an, fühlt euch wohl, aber wir überfordern euch nicht in der ehrenamtlichen Gewerkschaftsarbeit. (Beifall) Denn eines fällt auch auf: Ihr blickt nach links und rechts, kennt viele Menschen aus der GdP, aber ihr kennt auch die, die heute nicht hier sind, weil auch gewerkschaftliches Engagement, gepaart mit Personalratsarbeit oder dem Dienstverrichten, manchmal überfordern kann. Mein Credo ist, dass weder Arbeit noch gewerkschaftliche Arbeit krank machen darf, und wir müssen auf uns aufpassen und uns auch nicht innergewerkschaftlich überfordern. Ihr müsst aufeinander achtgeben und rechtzeitig Leuten signalisieren: Du hast zu viel Ehrenamt gleichzeitig. Gib ab, wir helfen, ohne dass du dabei die Sorge des Vergessens haben musst. – Deswegen darf gewerkschaftliche Arbeit niemals krank machen und überfordern. Damit fährt man am Ende wesentlich besser. (Beifall) Die Mitgliedschaft in der GdP muss nach wie vor etwas sein, für das man kämpft, auf das man stolz ist und für das man sich nicht schämt. Die Mitgliedschaft selbst soll abbilden, dass wir neben Einzelnen, die in den Polizeiberuf oder in andere Bereiche einsteigen, auch Familien abbilden. Ich wünsche mir also, dass wir keine gespaltenen Familien haben, sondern ganz klar einen Fokus darauf legen, dass jemand, der sich weiterentwickelt, der eine Familie gründet, sich auch als Gesamtfamilie in der GdP wohlfühlt. Des Weiteren muss man immer darauf achten, dass man auch mit kritischen Situationen ehrlich umgeht. Natürlich darf eine gewerkschaftliche Zugehörigkeit von einem zahlenden Mitglied auch mal kritisch betrachtet werden. Aber man muss ehrlich darüber sprechen und darf nicht im Streit auseinandergehen. Ich glaube, die Grundhaltung, zu sagen: „Diese GdP ist die richtige, Blau und Rot spielen gar keine Rolle“ ist richtig. Ich wünsche mir von euch, dass ihr mit Fingerspitzengefühl und einem neuen Geschäftsführenden Bundesvorstand und Bundesvorsitzenden Rückenwind bekommt, um Leute zu überzeugen, um sie abzuwerben, um uns noch stärker zu machen und andere schwächer. (Beifall) Wie gelingt uns das? Zur Wahrheit gehört: Wir sind nicht in allen Bereichen perfekt und hervorragend organisiert. Der Geschäftsführende Bundesvorstand wird sich also sehr schnell damit beschäftigen, wo wir als Geschäftsführender Bundesvorstand und im Weiteren auch als Bundesvorstand in welchen Landesbezirken tatsächlich konkret helfen können, sodass sich insbesondere die Landesbezirke, die vor bekannten, sehr schwierigen Herausforderungen stehen, bitte angesprochen fühlen und animiert fühlen, dass wir sie besuchen kommen, zum Anpacken kommen und mit guten Ideen gemeinsam aus schwierigen Situationen herauskommen. Wir wollen keine weißen Flecken in der geografischen oder auch Dienststellenorientierung der Gewerkschaft. Wir wollen ein grünes Deutschland und eine GdP an allen Dienststellen. (Beifall) Ich weiß, dass man in der Antrittsrede einen Aha-Moment erzeugt, wenn man sagt, ich möchte mich dem kriminalpolizeilichen Thema besonders widmen. Das habe ich aber deshalb hervorgehoben, weil der Zeitpunkt da ist, den Finger in die Wunde zu legen, für uns selbst, aber auch für das, was insbesondere Kriminalbeamtinnen und -beamten, aber auch Menschen, die im Kriminalbereich tätig sind, bevorsteht: Massendaten, Massenakten, viel zu viel Ermittlungsarbeit, die Abhängigkeit von der Staatsanwaltschaft. Ich glaube, wir können uns erlauben, einen Blick dahin zu werfen, ohne andere Bereiche wie den Uniformierten- und Expertenbereichen abzuschwächen. Deswegen war es mir wichtig, das gestern auszusprechen, auch wenn das vielleicht bei dem einen oder anderen Stirnrunzeln hervorruft. Aber es ist der richtige Weg. Und warum? Weil wir alle wissen, dass der Themenkomplex Digitalisierung doch eines hervorbringen muss: Arbeitserleichterung und nicht Arbeitsverdruss. (Beifall) Deswegen war mir das wichtig, und ich danke dafür, dass ich auch an meinem Wahlergebnis ablesen konnte, dass das angekommen ist und ehrlich rückgekoppelt wurde. Drei Aspekte noch: Die GdP – Frau Yasmin Fahimi hat es angesprochen – ist hervorragend im Erstellen von Kampagnen. Alexander Poitz, ein Gesicht der fast ersten wirklich spürbar wahrnehmbaren Kampagne, die ich als GdP-Mitglied erlebt habe, sitzt jetzt im Geschäftsführenden Bundesvorstand. Anita aus Brandenburg ist ein weiteres Gesicht dieser Kampagne. Das waren für mich die ersten sichtbaren, anfassbaren gewerkschaftlichen Momente, und die hat die JUNGE GRUPPE mit „Unser Eid“ fortgeführt. Die hat auch Dietmar Schilff mit „100 für 100“ fortgeführt. (Beifall) Kampagnen kosten Geld, aber der Effekt ist wahrnehmbar: Aha-Moment, Gänsehaut; auf dem Streifenwagen wird gesprochen. Zur Wahrheit gehört auch: Die Kampagnen sind auf Bundesebene sehr gut gelaufen, auf Landesebene auch, aber in der Zusammenarbeit müssen wir für zukünftige, hoffentlich noch gänsehautmomentfähigere Kampagnen besser werden. Der Blick hat also gezeigt: Wir müssen auf Kampagnen achten und uns da besser verzahnen und verschmelzen. Das ist der vorletzte Punkt, den ich ansprechen möchte, das Verzahnen und Vernetzen. Die digitale Welt bietet viele Möglichkeiten. Man sagt ja oft: Fluch und Segen zugleich. Ich weiß nicht, wie es auf euren Smartphones gestern nach dem Wahlabend ablief, aber das Pingpongspiel zwischen Verlinken, Gratulieren und stolz sein auf das, was gestern erreicht wurde, war immens bei mir auf dem Smartphone, und ich hoffe, dass es bei euch auch so war. Wir können also in wenigen Sekunden eine unglaubliche Reichweite in die Bundesrepublik, aber auch in unsere Belegschaft und in unsere Mitgliedschaft erzeugen. Das muss man nutzen. Das muss man nutzen mit einem Smartphone, das muss man nutzen mit intelligenten Werbe- und Pressestrategien. Aber dafür müssen wir Vorarbeit liefern. Der Geschäftsführende Bundesvorstand wird daher recht zügig die notwendigen politischen Netzwerke aktivieren, sehr zügig die notwendigen wichtigen, eindrucksvollen Bilder erzeugen, die ihr auch braucht, um euch nicht zu schämen, sondern um angeben zu können, was die GdP in Berlin, in der Bundeshauptstadt, alles erreichen kann. Dafür müsst ihr mitmachen. Das habt ihr gestern bewiesen. Also lasst uns auch die digitale Welt anpacken und die GdP auch da richtig nach vorne bringen. (Beifall) Europa: Ich persönlich habe im Bundesvorstand als Mitglied erlebt, wie es war, den Austritt aus dem EuroCOP-Bund und die Frage, wie es eigentlich weitergeht, mitzumachen. Ich habe miterlebt, wie das Büro in Brüssel aufgemacht wurde, welches Engagement dort an den Tag gelegt wurde, und habe selbst über zehn Veranstaltungen in Brüssel als GdP-Mitglied, aber auch als Polizeibeamter erlebt. Brüssel ist eine andere Welt, und auch das politische Europa ist eine andere Welt. Dass die GdP dort vor Ort ist, ist existenziell für uns. Und warum? Weil Polizeiarbeit mittlerweile nicht an Landesgrenzen aufhört, weil die digitale Polizeiarbeit mehr europäisches Thema ist als nationalstaatliches. Wir dürfen das Engagement in Europa nicht unter den Teppich kehren. Wir dürfen nicht Türen schließen, sondern dürfen als Geschäftsführender Bundesvorstand und als diese GdP auch mit Blick auf das, was wir in den Ländern vorhaben, niemals Europa vergessen. Deswegen wünsche ich mir, dass wir auch da neues und tatkräftiges Engagement an den Tag legen und insbesondere für unsere Ideale der Polizeiarbeit in Europa kämpfen. (Beifall) Jetzt gibt es bei einer Grundsatzrede zwei Möglichkeiten, daranzugehen, wenn es um die Kernthemen Bezahlung, Reduzierung der Wochenarbeitszeit, Quotierung, Satzung, Haushalt geht. Es gibt zwei Möglichkeiten: Ich nehme das Ergebnis vorweg, oder ich gebe euch den Rückenwind, den ihr braucht, um das zu eröffnen, was euch gleich bevorsteht, nämlich die Antragsberatung. Ich habe mich entschieden und wähle den Weg des Rückenwindes. Ich gebe euch Rückenwind für das, was euch bevorsteht. Die Antragsberatung mit all ihren Aussagen zu den Leitanträgen werdet ihr machen, nicht ich. Macht unseren Rucksack voll mit den richtigen Themen, die uns allen bekannt sind, über die ihr aber gleich entscheidet, und gebt uns etwas mit, womit wir morgen beim Bundeskanzler hier oben antreten und Forderungen aufstellen. Insofern wünsche ich euch eine Antragsberatung, die von Schweiß, Ehrlichkeit und Hitzigkeit geprägt ist, aber in der Sache dazu führt, dass wir richtig gute Ergebnisse erzielen. Viel Spaß bei der Antragsberatung! Danke für eure Aufmerksamkeit! (Lebhafter Beifall)