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14.09.2022

Festrede des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland, Olaf Scholz, anlässlich des Festaktes des 27. Ordentlichen GdP-Bundeskongresses in Berlin
Scholz: Deutschlands Sicherheit ist Ihr Verdienst

Bundeskongress 2022

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßte am Mittwoch den Bundeskanzler Olaf Scholz als Ehrengast des Festaktes ihres 27. Ordentlichen Bundeskongresses in Berlin. Die GdP sei heute die weltweit größte Interessenvertretung für Beschäftigte in der Polizei. „Das zeigt, die GdP ist attraktiv“, betonte der Kanzler. Überdies habe sie es in den vergangenen 72 Jahren ihres Bestehens stets vermocht, auf der Höhe der Zeit zu sein. Die GdP zeichne sich als eine bürgernahe und zivile Polizei aus. Scholz überbrachte dem Bremer Jochen Kopelke seine Glückwünsche zur Wahl in das Amt des neuen Bundesvorsitzenden. Die GdP in diesen Zeiten zu führen, sei gleichsam eine Ehre und eine Herausforderung, stellte Scholz fest und wünschte dem Team um den GdP-Chef „eine glückliche Hand und neue Impulse“. In Zeiten des Umbruchs bedürfe es vor allem Geschlossenheit, Teamplay und gegenseitiger Unterstützung innerhalb der Organisation. All das mit einem klaren Blick nach vorne.

Die Pandemie habe die Kolleginnen und Kollegen massiv gefordert, sagte der Kanzler. „Ihre Geduld und, ich möchte fast sagen, heroische Gelassenheit, habe ich immer wieder bewundert.“ Aber auch der Klimawandel und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine stellten die Arbeit der Polizei vor stetig wachsende Herausforderungen, nicht zuletzt auch in der Auseinandersetzung mit besorgten Bürgerinnen und Bürgern, aber: „Wenn wir zusammenstehen, kommen wir durch die Krise“, führte Scholz aus. Zunehmend würden Kundgebungen von Extremisten gekapert und mündeten mitunter in gewalttätigen Auseinandersetzungen. „Dieser Missbrauch des Versammlungsrechts kann von uns nicht hingenommen werden“, unterstrich der Kanzler. Die Demokratie hierzulande sei wehrhaft. Daran sollte niemand zweifeln. „Ich bin der GdP zutiefst dankbar, dass sie gegen alle Formen von Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Rassismus Stellung bezogen hat.“ Auch Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten nehme man nicht hin, betonte der Kanzler unter anhaltendem Applaus der Delegierten. „Wer Polizistinnen und Polizisten angreift, ob mit Worten oder Gewalt, ob auf der Straße oder im Netz, der muss hart bestraft werden.“ Sicherheit könne es nur mit einer starken und durchsetzungsfähigen Polizei geben. Darum werde die Bundesregierung in den kommenden Jahren weitere Mittel für den Personalaufwuchs zur Verfügung stellen und in die digitalen Fähigkeiten der Polizei investieren. Polizeiarbeit sei nervenaufreibend und mit persönlichen Risiken verbunden. Das müsse mit einer anständigen Entlohnung verbunden sein. Die Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage sei ein Baustein davon, betonte Scholz unter dem Applaus der anwesenden Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter und versprach: „Wir werden das schon machen.“ Deutschland sei eines der sichersten Länder der Welt, „Das, meine Damen und Herren, ist Ihr Verdienst. Für unsere Sicherheit nehmen Sie viel in Kauf. Meine volle Unterstützung haben Sie. Vielen Dank.“

Die Rede des Bundeskanzlers im Wortlaut

Sehr geehrter Herr Kopelke! Sehr geehrter Herr Malchow! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es ja schon gehört: Die Wahl des heutigen Tages für den Festakt der GdP soll eher zufällig zustande gekommen sein, aber es war trotzdem eine ganz spezielle Wahl. Denn – auch das haben wir schon gehört – heute vor 72 Jahren wurde die Gewerkschaft der Polizei gegründet. Neu war damals, dass alle Polizeibeschäftigten, also Polizisten, Verwaltungsbeamte, Tarifbeschäftigte und auch Beamte des Zolls, der GdP beitreten konnten. Das war eine weitsichtige Entscheidung, und so sind aus anfänglich 42.500 Mitgliedern mittlerweile mehr als 200.000 geworden, Tendenz steigend. Das zeigt: Die GdP ist attraktiv. (Beifall) Das zeigt aber sicher noch etwas: Die GdP hat es vermocht, auf der Höhe der Zeit zu sein, und hat auch viele aktuelle Forderungen, wie wir eben gehört haben. (Heiterkeit) Eine bürgernahe, zivile Polizei war so etwas wie der Leitstern Ihrer fast zehnjährigen Zeit an der Spitze der GdP, lieber Oliver Malchow. Wenn man sich anschaut, welch großer Respekt, welch hohe Anerkennung die Polizei bei den Bürgerinnen und Bürgern genießt, dann kann man nur sagen: Mission accomplished. (Beifall) In Umfragen sagen konstant über 80 Prozent der Bevölkerung, dass sie Vertrauen in die Polizei haben. Daraus spricht eine große Anerkennung für Ihre Arbeit, für die Bürgernähe der Polizei, und dafür möchte ich herzlich danken. Am Montag haben Sie, die Delegierten des Bundeskongresses, Ihren neuen Vorstand gewählt, mit vielen neuen und – aus meiner Perspektive darf ich das sagen – vielen jüngeren Gesichtern. Damit, bin ich bei Ihnen, lieber Jochen Kopelke. Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zur Wahl des Vorsitzenden. (Beifall) Die GdP als größte Polizeigewerkschaft in Deutschland und Europa zu führen – und das in diesen Zeiten –, ist Ehre und Herausforderung zugleich. Dafür wünsche ich Ihnen und der gesamten Führungsmannschaft der GdP viel Kraft und eine glückliche Hand, neuen Mut und frische Impulse. In einem Interview haben Sie mal gesagt, Geschlossenheit mache stark, aber man müsse dabei auch aufgeschlossen bleiben. Damit bleiben Sie der Tradition treu, die GdP immer wieder auf der Höhe der Zeit zu verorten. Ich glaube, das ist die richtige Herangehensweise, um die GdP auch für die Zukunft aufzustellen: mit Geschlossenheit, Teamplay und gegenseitiger Unterstützung innerhalb der Organisation, damit die GdP auch weiterhin mit starker Stimme für ihre Mitglieder spricht, und mit Aufgeschlossenheit und dem Blick nach vorn, gerade bei Themen wie Digitalisierung, moderne Ausstattung und Krisenresilienz der Polizei, die Ihnen besonders am Herzen liegen. Das ist wichtig. Denn wir leben in herausfordernden, aufreibenden, aufwühlenden Zeiten, in Zeiten globaler Umbrüche und Krisen – Krisen, die Sie als Polizistinnen und Polizisten auf ganz besondere Weise fordern. Ich denke etwa an die Coronapandemie und die Proteste gegen unsere Schutzmaßnahmen, die Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen massiv gefordert haben. Ihre Geduld – und ich möchte fast sagen: Ihre heroische Gelassenheit – habe ich in solchen Situationen immer wieder beobachtet und bewundert. Dank guter Impfstoffe, antiviraler Medikamente und einer verbesserten Datengrundlage mit Blick auf das Pandemiegeschehen können wir etwas gelassener in diesen Herbst und Winter gehen. Und zugleich kann ich Ihnen heute leider nicht versprechen, dass Ihre Arbeit in den nächsten Jahren weniger fordernd wird. Da ist der Klimawandel, der Überschwemmungen wie vergangenes Jahr in Nordrhein-Westphalen und Rheinland-Pfalz oder Waldbrände, wie wir sie diesen Sommer erlebt haben, wahrscheinlicher macht. Darauf stellen wir uns ein, zum einen was die Vorbereitung auf solche Katastrophen angeht, zum anderen auch durch eine bessere Ausstattung unserer Polizei. Erst vor Kurzem haben wir daher eines der größten Beschaffungsprojekte auf den Weg gebracht, die die Bundespolizei je umsetzen konnte. Wir beschaffen bis zu 44 neue Transporthubschrauber. Damit kann die Bundespolizei in Einsätzen künftig noch schneller, noch mobiler agieren – und vor allem technisch auf der Höhe der Zeit. Uns alle besorgt und bestürzt nicht zuletzt der brutale Angriffskrieg, den Russland gegen die Ukraine führt. Tausende unschuldige Ukrainerinnen und Ukrainer haben ihn bereits mit dem Leben bezahlt, noch viele mehr haben ihr Hab und Gut, ihre Heimat oder ihre Liebsten verloren. Das sollten wir uns immer vor Augen halten, wenn wir über die Folgen des Krieges sprechen, die auch unser Land treffen. Ich kann verstehen, dass viele Bürgerinnen und Bürger sich große Sorgen machen, wenn sie auf die stark gestiegenen Preise für Strom, Gas oder Lebensmittel blicken. Deshalb entlasten wir die Bürgerinnen und Bürger und unsere Unternehmen ganz massiv. Alle Entlastungsbeschlüsse zusammen haben einen Umfang von 95 Milliarden Euro. You’ll never walk alone, habe ich gesagt. Niemand muss allein durch diese Krise kommen. Und dazu stehe ich auch. Und wenn wir zusammenstehen, kommen wir durch diese Krise. Das ist meine Botschaft auch an diejenigen, die unzufrieden sind und diese Unzufriedenheit öffentlich äußern. Friedlich seine Meinung zu äußern, ist eines der wichtigsten Rechte in unserer Demokratie. Aber immer häufiger erleben wir, dass Kundgebungen von Extremisten gekapert werden, dass verfassungsfeindliche Parolen gebrüllt werden, dass friedlicher Protest in Gewalt umschlägt, wie bei mancher Querdenkerdemo und manchem Protest gegen Coronaschutzmaßnahmen. Dieser Missbrauch des Versammlungsrechts kann von uns nicht hingenommen werden. (Beifall) Unsere Demokratie ist wehrhaft. Daran sollte niemand zweifeln. Denn ohne innere Sicherheit kann es keine freie und offene Gesellschaft geben. Wenn wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürgerinnen bei uns im Land Recht und Gesetz akzeptieren, dann müssen Recht und Gesetz auch durchgesetzt werden. Ich bin der GdP zutiefst dankbar dafür, dass auch sie immer klar und in aller Deutlichkeit Stellung gegen alle Formen von Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus bezogen hat. Danke dafür! (Beifall) Noch etwas nehmen wir nicht hin, meine Damen und Herren, Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten. Sie sind es, die unsere Freiheit und unsere Sicherheit verteidigen. Dafür schulden wir Ihnen Respekt und Rückendeckung. 89.000 Polizistinnen und Polizisten wurden allein im vergangenen Jahr in der Polizeilichen Kriminalstatistik als Opfer registriert. Das ist eine nicht hinnehmbare und eine völlig inakzeptable Zahl. (Beifall) Unsere Gedanken sind deshalb heute ganz besonders bei der 24 Jahre alten Polizeianwärterin und ihrem 29 Jahre jungen Kollegen aus Kusel in Rheinland-Pfalz, die am 31. Januar dieses Jahres bei einer Routineverkehrskontrolle kaltblütig ermordet wurden. Wir trauern mit den Freunden und Angehörigen der beiden, aber auch mit ihren Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Wer Polizistinnen und Polizisten angreift, ob mit Worten oder gar mit physischer Gewalt, ob auf der Straße oder im Internet, der muss hart bestraft werden. (Starker Beifall) Jede Straftat gegen eine Polizistin oder einen Polizisten muss ermittelt, konsequent zur Anzeige gebracht und strafrechtlich nachdrücklich geahndet werden. Ich bin froh –dafür haben wir auch gekämpft, lieber Oliver Malchow –, dass es gesetzgeberische Fortschritte gegeben hat, die die strafrechtlichen Handlungsmöglichkeiten des Staates ausgeweitet haben. Das war und bleibt richtig. (Starker Beifall) Ich habe am Anfang die Umfragen schon erwähnt, die den großen Respekt zeigen, den die Arbeit der Polizei bei der weit überwiegenden Zahl der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes genießt. Dieser Respekt – das ist mir wichtig – muss sich auch in besseren Arbeitsbedingungen für unsere Polizistinnen und Polizisten niederschlagen. Wenn ich mit Ihren Kolleginnen und Kollegen spreche, dann spüre ich oft Zufriedenheit und Stolz auf einen Beruf, der für Sicherheit und Zusammenhalt sorgt, der gebraucht und geschätzt wird. Zugleich kenne ich die vielen Berichte über Endlosarbeitstage, Überstundenberge, unbesetzte Stellen und Schichtarbeit als Dauerzustand. Otto Schily hat einmal gesagt: Über Sicherheit redet man nicht, Sicherheit macht man. – So ist es wohl. (Heiterkeit) Einen starken Staat, in dem alle Bürgerinnen und Bürger sicher und in Freiheit leben können, kann es nur mit einer starken und durchsetzungsfähigen Polizei geben. (Beifall) Denn es sind unsere Polizistinnen und Polizisten, die unsere freiheitlich demokratische Grundordnung gegen ihre Feinde verteidigen und dafür sorgen, dass sich die Menschen auf der Straße sicher fühlen. Deshalb sage ich: Eine leistungsfähige Polizei braucht in allererster Linie genügend gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. – In den letzten Jahren haben wir beim Bund rund 14.000 und bei den Polizeien der Länder fast 19.000 neue Stellen geschaffen. Damit haben wir unsere Ziele aus dem Pakt für den Rechtsstaat sogar übertroffen. Aber wir bleiben dabei nicht stehen. Im Haushalt und in der Finanzplanung für die kommenden Jahre haben wir weitere Mittel für den Personalaufwuchs bereitgestellt, und das ist auch richtig so. (Beifall) Klar ist natürlich: Neue Stellen sind noch keine neuen Polizistinnen und Polizisten. Bei den vielen unbesetzten Stellen in unserem Land muss auch die Polizei Personal erst einmal finden, ausbilden und natürlich bei der Stange halten. Deshalb sorgen wir erstens für attraktivere Arbeitsbedingungen, was sowohl die persönliche Ausstattung als auch die Ausgestaltung des Arbeitsplatzes mit modernster Technik und Fahrzeugen betrifft. Darüber werden wir sicherlich noch viel zu reden haben. Dazu gehören auch vernünftige Rahmenbedingungen, natürlich rechtlich genauso wie beim Personal und bei den technischen Voraussetzungen, damit effektive Ermittlungsarbeit auch im Internet möglich ist. Im Jahr 2022 muss es egal sein, ob ein Verbrechen im Cyberraum oder auf unseren Straßen, Plätzen oder Bahnhöfen begangen wird. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Auch dort gelten Regeln, und sie müssen konsequent durchgesetzt werden. (Beifall) Deshalb investieren wir weiter in die digitalen Fähigkeiten der Polizei. Auch das Bundespolizeigesetz werden wir an die Anforderungen des Digitalzeitalters anpassen. Schließlich eröffnet die Digitalisierung auch riesige Chancen für eine effizientere Polizeiarbeit. Zweitens. Die Arbeit der Polizei ist keine Arbeit wie jede andere. Sie ist nervenaufreibend, oft – das dürfen wir nie vergessen – auch mit persönlichen Risiken verbunden. Das muss daher auch mit einer anständigen Entlohnung verbunden sein. (Beifall) Ein Baustein dabei ist die Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage. (Lebhafter Beifall) Deshalb steht im Vertrag, der zur Bildung der von mir geführten Regierung beigetragen hat – man nennt das Koalitionsvertrag –, diese wieder einzuführen. Die zuständigen Ressorts sind dazu im Gespräch, wie alle mitbekommen haben. Aber wir werden das schon machen. (Beifall) Auch bessere Aufstiegsperspektiven für besonders qualifizierte Kolleginnen und Kollegen gehören hierher, Stichwort: größere Durchlässigkeit der Laufbahnen. Drittens brauchten wir Regelungen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf insbesondere bei Schichtarbeit, Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienst, damit aus Belastung keine Überlastung wird. Arbeit darf nicht krank machen. (Beifall) Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber leider nicht immer die Realität im polizeilichen Alltag. Deshalb will ich die GdP ermutigen, weiter an diesem Thema zu bleiben und zusammen mit uns für Verbesserungen zu sorgen. Meine Damen und Herren, die Zeiten, in denen wir leben, mögen aufreibend sein und fordernd. Das lässt einen manchmal vielleicht vergessen, welch ein Glück es ist, in einem der sichersten Länder der Welt zu leben. Die Zahl der Straftaten in der Polizeilichen Kriminalstatistik ist seit Jahren rückläufig. Im vergangenen Jahr ist sie auf den niedrigsten Wert seit Beginn ihrer Erfassung in der heutigen Form gesunken. Das, meine Damen und Herren, ist Ihr Verdienst. (Beifall) Das ist auch ein Ausweis der großartigen Arbeit, die Sie als GdP und die Ihre Kolleginnen und Kollegen im ganzen Land Tag für Tag leisten. Für unsere Sicherheit nehmen Sie viel in Kauf. Dafür haben Sie unser aller volle Unterstützung verdient. Meine volle Unterstützung haben Sie! Vielen Dank. (Lebhafter Beifall)

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© Foto: Dirk Lässig
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